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SCHIKANEDER SUPERSTAR???

Veröffentlicht: Oktober 2, 2016 in Musical, Neues, Premiere, Theater, VBW, Wien

30. September 2016, die mittlerweile 12. Eigenproduktion der Vereinigten Bühnen Wien feiert ihre Premiere im Raimund Theater.

SCHIKANEDER! oder Die turbulente Liebesgeschichte hinter der Zauberflöte, ein vielversprechender Titel. Die Idee ein wenig altbacken, aber dennoch charmant. Ein Leading Team das auf viel hoffen lässt. Komponist STEPHEN SCHWARTZ  ist für unverkennbare Blockbuster Melodien bekannt, folglich ist es nachvollziehbar, dass hier die Erwartungen hoch angesetzt sind. Ihm an der Seite ist TEVOR NUNN als Regisseur für eine schwungvolle Inszenierung verantwortlich.

Angerichtet wurde einiges, so hat TREVOR NUNN seinen Titelhelden, den mittlerweile allgegenwärtigen MARK SEIBERT derart charmant und treffend in Szene gesetzt, dass man sich tatsächlich fragen muss, warum hat man SEIBERT bisher nie so treffend inszeniert gesehen?

SEIBERT ist die Show. Er gibt den nicht erwachsen werdenden, hinter jedem Rockzipfel herjagenden und tölpelhaften Titelhelden erschreckend authentisch. Ob SCHIKANEDER ohne SEIBERT auch so unterhaltsam ist, wird sich zeigen. CATS ohne Memory ist auch schwer vorstellbar.

An seiner Seite brillieren gleich zwei großartige Frauen. MILICA JOVANOVIC darf als Eleonore an Schikaneders Seite lieben und leiden. Ein bisschen leidet man mit ihr mit, wenn sie von ihrem liederlichen Gatten wieder mal ungeniert betrogen wird.

KATIE HALL frisch aus dem Londoner West End nach Wien geholt, hat als MARIA ANNA MILLER einen ehr kleinen Part übernommen, füllt diesen aber mit viel Leben und Energie aus. Ihr Bühnendeutsch ist überraschend klar, manch anderer, sich bereits seit längerem im deutschsprachigen Musical Sektor rumtreibender Darsteller könnte sich von HALL eine Scheibe abschneiden. Ihre Einstellung zeugt von höchster Professionalität. Ihre Performance bleibt trotz der Kürze im Gedächtnis.

Gesamt betrachtet hat die Casting Abteilung der VBW diesmal ein wirklich gutes Ensemble zusammengestellt. Starke Stimmen sind aber auch von Nöten wenn man bedenkt, dass der Orchestergraben mit mehr als 30 Musikern bestückt ist. Ein großer Klangkörper für große Melodien. Nun, ganz so ist es dann leider doch nicht. STEPHEN SCHWARTZ hat eine flüssige Partitur jedoch ohne wirkliche Höhepunkte geschaffen. Der große Kracher, der WOW-Effekt, der eine Song der dich tagelang nicht mehr los lässt, den hat es für SCHIKANEURE anscheinend nicht gegeben. Gewiss, TRÄUM GROß bleibt einem schon in Erinnerung, das schuldet aber eher der stetigen Wiederholung des musikalischen Themas und weniger der Ohrwurmqualität.

TREVOR NUNN hat das mitunter bunte Treiben gekonnt in Szene gesetzt. Die Bühne auf der Bühne erinnert ein wenig an die opulenten Barrikaden in Les Miserables. Allzeit dominant, allzeit präsent, zeigt immer wieder, dass die Welt eine Bühne ist. Noch ein Vergleich mit TREVOR NUNN`s erfolgreicher Inszenierung von Victor Hugos Meisterwerk sei erlaubt. Damals wie heute zeigt sich ein banaler „Turntable“als äußerst effizient. Ein kurzer Dreh und man befindet sich auf der Seitenbühne und bekommt ansonsten verborgene Einblicke in die Welt des Theaterzaubers. Wollen wir hoffen, dass dem Wiener Turntable zumindest ein Bruchteil des Erfolges, den der Londoner Turntable genießt, vergönnt sei.

Kommen wir zur wahren Schwachstelle des Stückes, der Geschichte. Vielversprechend zu Beginn verliert sie sich bald, wendet und dreht zu oft die Richtung, sodass man zwischendurch ins Grübeln gerät, wo die Reise denn hingehen soll. Struppecks Interpretation des Theatermachers zeichnet einen umtriebigen Lebemann der mehr Muskeln als Hirn besitzt und dem man nicht wirklich zutraut, einen derart großen Wurf wie die Zauberflöte zu fabrizieren. Die Story erinnert ein wenig an eine Soap Opera, ein unterhaltsamer, wenn auch wenig origineller Rosenkrieg in wunderbarer Kulisse.

Aber gut, wen kümmert die Story, wenn STEPHEN SCHWARTZ und TREVOR NUNN gemeinsame Sache machen in Wien und als Sahnehäubchen MARK SEIBERT auch noch seinen Astralkörper zur Schau trägt.

Die 12. Eigenproduktion präsentiert sich als unterhaltsamer Theaterabend mit einem zur Hochform auflaufenden MARK SEIBERT, grandiosen Damen und einem kräftigem Orchester unter der Leitung vom Mann am Cembalo, KOEN SCHOOTS.

Die Tage werden kürzer und was gibt es da besseres, als einen netten Abend bei leichter Unterhaltung zu genießen. Wer sich allerdings erhofft mehr über die Person Schikaneder zu erfahren, der wird wohl etwas enttäuscht sein.

Videomaterial und alle weiteren Infos gibts auf der Homepage der VBW: www.vbw.at

 

MOZART! Das Musical, besser denn je?

Veröffentlicht: September 29, 2015 in Neues, Premiere, Wien
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Der Intendanz der Vereinigten Bühnen Wien kann man so einiges vorwerfen, aber Ideenreichtum gehört wohl nicht unbedingt dazu, viel Innovatives oder auch Neues hat man bisher ja nicht aus dem Hut gezaubert. Nachdem ELISABETH nun endlich zu Tode getanzt worden sein dürfte und die Vampire bereits eine abgespeckte  zweite Runde hinter sich haben, war es an der Zeit eine weitere Eigenproduktion aus dem Keller zu holen. Zugegeben, MOZART! war damals schon nicht unbedingt der ganz so große Wurf und so hielt sich die Vorfreude auf die Premiere der Neuinszenierung doch mehr als deutlich in Grenzen.

Aber manchmal kommt es eben anders als man denkt. Ein Klavier, ein paar Stühle, gekonnt eingesetzte Projektionen und eine Cast, die singen und spielen kann, mehr braucht es eigentlich auch nicht um eine Geschichte zu erzählen.Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass es sich hier keinesfalls um eine historisch korrekte und chronologische Abhandlung von Mozarts Leben handelt, vielmehr zeigt uns Harry Kupfer (damals wie heute verantwortlich für die Regie), wie es denn so hätte sein können. Der Verzicht auf pompöse Kostüme oder aufwändiges Make-Up schafft in dem doch nicht so kleinen Raimundtheater eine beinahe intime Stimmung, die man erst mal auf die Bühne zaubern muss. Kupfer inszeniert reduziert, zeichnet ohne vielerlei Hilfsmittel ein Portrait, welches ob seiner Einfachheit gewiss vielen, selbsternannten Musicalexperten nicht sonderlich wohl bekommen mag. Egal wie gut oder schlecht in Szene gesetzt, der Erfolg steht oder fällt auch mit den Leuten, die das Ganze präsentieren und zum Leben erwecken sollen. Hier hat man seitens der Casting Abteilung ganze Arbeit geleistet. Allen voran erneut ein Hauptdarsteller, dessen Name  anfänglich etwas schwierig auszusprechen scheint: Oedo Kuipers. Der Kerl hat alles was es braucht, um diese große Rolle physisch und psychisch stemmen zu können. Kuipers singt und spielt mit einer Leichtigkeit, die es einem unmöglich macht, nicht hinzusehen. Sein Engagement ist durchaus als Bereicherung für das Musical-Österreich zu sehen.

Wer jetzt glaubt, der groß aufgeigende Holländer würde alle anderen Darsteller verblassen lassen, irrt gewaltig. Thomas Borchert (damals wie heute Leopold Mozart) präsentiert sich ergreifend und authentisch wie selten zuvor. Barbara Obermeier (Nannerl) und Franziska Schuster( Constanze Weber/Nissen) singen und spielen überzeugend unaufdringlich. Selbst Mark Seibert (Hieronymus Colloredo) weis zu überzeugen, ist stets am Punkt, liefert eine solide und durchaus gewinnbringende Performance ab. (Die Rede ist nicht nur von seiner Brustmuskulatur, wenn auch diese mehr als beachtlich ist)

Von einem anderen Stern scheint Ana Milva Gomes zu sein. Ihre Auftritte gleichen mehr einer großen Diva denn einer klassischen Baronin, wie man sie vielleicht aus den Geschichtsbüchern zu kennen meint. Als farbige Baronin von einigen als krasse Fehlbesetzung abgetan, hat sie mit ihrem Gold von den Sternen auch die letzten nicht müde werdenden Kritiker zum verstummen gebracht. Bei solch einer Darbietung muss einem ja förmlich das Herz in der Brust aufgehen.

Ebenfalls erwähnenswert ist der diesmal ordentlich gefüllte Orchestergraben. Wahrlich eine Freude, Koen Schoots und seinem großen Klangkörper lauschen zu dürfen. Echte Musik, nicht jene aus der Dose, macht Wien ebenso besonders wie die immer wiederkehrenden Dennis Callahan signifikanten, mittlerweile mehr als vertraulich wirkenden aber immer noch charmanten eckigen Choreografien, die einen erinnern, dass Musical auch in Wien begeistern kann.

Natürlich, wie könnte es denn anders sein, gibt es mehrere neue Songs, sehr charmant etwa das Duett von Constanze und Mozart am Karussell, auch nett und neu Mozart vs Colloredo. Wenig erfreulich, dass Hier in Wien deutlich an Länge und Substanz verloren hat. Zu schade, strotzt diese Nummer doch geradezu vor Wahrheiten und Weisheiten über das schöne und mitunter auch tückische  Wien.

Kupfers Inszenierung ist ein Gewinn für das Musical, es zeigt seine ernsthafte Seite, die mehr ist als nur schenkelklopfendes Unterhaltungstheater. Es zeigt auch, dass es keine sündhaft teuren Kulissen, Feuer oder gar fliegende Fledermäuse braucht um das Publikum mitzunehmen und ihm eine Geschichte zu erzählen. Nicht jedem wird der erneute Aufguss des Levay/Kunze Stückes Freuden bereiten, Grund zum sudern findet man vor allem in Wien mehr als genug. Ein stimmiges Ensemble, großes Orchester und eine spannende Inszenierung, was will man mehr. Wer hätte gedacht, dass MOZART! seinerzeit nach Elisabeth und den Vampiren eher mäßig erfolgreich, die wohl beste aller Neuinszenierungen erfährt.

MOZART! Besser denn je? Hingehen und selbst entscheiden.

Infos zum Stück: www.vbw.at

WIE WIRD MAN SEINEN SCHATTEN LOS?

Veröffentlicht: April 14, 2015 in Musical, Neues, Wien
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Eine Frage, die sich seit der heutigen Pressekonferenz der Vereinigten Bühnen Wien zur Wiederaufnahme von MOZART! Das Musical mehr und mehr aufdrängt. Im Vorhinein wurde ja bereits viel getuschelt und gerätselt, wer denn in die Fußstapfen des seinerzeit unbekannten und für viele unaussprechlichen Darsteller treten wird. (die Rede ist von der Originalbesetzung Yngve Gasoy-Romdal)

Nun, eine kongeniale Interpretation zu kopieren endet meist im Sumpf belangloser Peinlichkeiten, dass scheint auch bei den VBW schön langsam angekommen zu sein. Nach der gefühlt hundertsten Wiederaufnahme von ELISABTEH, oder den Lack und Leder Vampiren war es ein mehr logischer als überraschender Schritt, MOZART! auch wieder nach Wien zu bringen. Prof. Michael Kunze und Sylvester Levay haben ihr Stück von Produktion zu Produktion, wie sie es nennen, weiterentwickelt und im September soll nun dem Wiener Publikum die „Quintessenz“ der gesammelten Werke präsentiert werden. MOZART! in neuem Gewand? Sieht wohl ganz danach aus.

Neben vielen bekannten Gesichtern greift man bei der Besetzung von Wolfgang Amadeus Mozart auf das Erfolgsrezept von damals zurück. Ein, auch in der Szene, frisches Gesicht mit mehr oder weniger einfacher auszusprechendem Namen als damals der von Herrn Gasoy-Romdal wird sich dem Wiener Publikum ab September präsentieren. Oedo Kuipers (man sagt angeblich Udo) heißt der junge Knabe und kommt, wie sollte es anders sein, ursprünglich aus Holland. Seine musikalischen Kostproben bei der Pressekonferenz lassen eine gute Wahl erahnen, seine Stimme klingt vielversprechend und auch sein Auftreten bringt eine Frische mit sich, die dem Stück mit großer Sicherheit gut tun wird.

©Verena Funk

Oedo Kuipers bei der Pressekonferenz zu MOZART! Das Musical ©Verena Funk

Für viel Gesprächsstoff sorgt auch die Besetzung der Baronin von Waldstätten. Ana Milva Gomes ist, da gibt es nichts zu diskutieren, eine hervorragende Sängerin mit großer Stimme und dem nötigen Fingerspitzengefühl fürs Feine, aber Martha Elisabeth, Baronin von Waldstätten ist eine historische Figur und kein fiktiver Charakter wie etwa Chubaka. Mit der historischen Vorlage, sagen wir mal, zu brechen und mit Gomes eine farbige Darstellerin als Baronin zu besetzen mag vielen ein Dorn im Auge sein, aber am Ende vom Tag zählt und ich spreche jetzt nur für mich, dass mich die Person auf der Bühne mit ihrer Darstellung berührt hat, mir ihre Geschichte glaubhaft vorgetragen hat. Da ist mir egal ob die Beste Grün, schwarz oder zartrosa ist, letzten Endes geht es nicht um die Hautfarbe, sondern um das Gefühl und da (ich spreche immer noch nur für mich) fühle ich mich bei Frau Gomes bestens aufgehoben.

Neben einigen erfreulichen Wagnissen setzt man zumindest bei der Besetzung von Hieronymus Colloredo auf Erprobtes. MARK SEIBERT wird den seinerzeit von UWE KRÖGER kreierten Part übernehmen und, das zeigte schon sein Auftritt bei der Pressekonferenz, die Frauenherzen höher schlagen lassen. Eines haben beinahe alle von SEIBERT bisherigen Rollen gemeinsam, er hat sie immer mit starker Brust präsentiert.

Kommen wir zum wohl erfreulichsten Punkt der Wiederaufnahme im neuen Gewand. Der beinahe leergefegte Orchestergraben im Raimund Theater darf sich ab September wieder über reges Getümmel freuen. 27(!) Musiker sollen die Partitur von Levay zum Klingen bringen. Endlich wird Musik wieder von Musikern und nicht von der Konserve gemacht!

Das Leading Team von damals darf sich die neue Inszenierung vorknöpfen, bleibt zu hoffen, dass man nicht wieder in den Farbtopf köpfelt, sondern die Reinkarnation in, von mir aus auch zeitgenössischen Bildern, stimmig zum Leben erweckt.

Zurück zur eingangs gestellten Frage: Den Schatten der damaligen Produktion wird man tatsächlich nur los, wenn man es wagt, neue Wege zu beschreiten und diese mit Bedacht wählt. Das Wiener Publikum ist sich seiner Musicalvergangenheit bewusst und weiß, wann man ihm billiges Futter aus der Konserve anzudrehen versucht. MOZART! hat neben einem echten Orchester (27! das kann man gar nicht oft genug erwähnen) durchaus den Eindruck erweckt, Potential zu haben. Mal sehen was im Herbst davon noch übrig ist. Jetzt gilt es mal die Termine für die kommenden Sommerproduktionen in den Kalender zu übertragen  und die länger werdenden Tage zu genießen. Hmm… ein Eis, das wär eine Idee.

Mehr Infos zur Show: www.vbw.at

Videobeitrag zur Pressekonferenz: www.wienholding.tv