Bevor die besinnlichste und für manche auch stressigste Zeit im Jahr beginnt, mal was Persönliches.
Ich liebe das Theater. Ja, ich finde Musical ist eine Kunstform, welche dem Überbegriff Theater zugeordnet wird, auch wenn das viele nicht so sehen. Sei’s drum. Wenn wir schon bei besagten „VIELEN“ sind, es gibt Kolleginnen und auch Kollegen, welche sich quasi aussuchen, was sie sich ansehen und rezensieren wollen und was nicht. Die Auswahlkriterien hierfür sind meist banaler Natur, wie etwa „da spielt mein Liebling mit, das muss ich sehen“, oder „das interessiert mich ganz und gar nicht, den Blödsinn sollen sich andere geben“. Solch eine Herangehensweise kann Produktionen schon vor deren Premiere die Chance mindern zu gefallen. Zwar entscheidet letztendlich immer noch das Publikum was gefällt und was nicht, aber ganz ohne Presse geht’s dann doch nicht.
Ich sehe gern unterschiedliche Produktionen, freue mich über Neues ebenso wie über Altbewährtes, auch wenn dem Altbewährten das neue Gewand oft nicht so steht. Ich freue mich jedes einzelne Mal über Einladungen zu Premieren, ermäßigte Tickets oder gar Freikarten, setze dies im Vergleich zu manch anderen, welche ebenfalls der schreibenden Zunft angehören, aber nicht als Selbstverständlichkeit voraus, sondern sehe darin etwas Besonderes.
Blogger Steve Rich (www.theatremonkey.com) aus England hat sich mit diesem Thema bereits im Sommer beschäftigt und trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt:
Weiters schreibt Rich auch darüber, dass es unprofessionell ist, sich aufgrund einer Einladung oder Freikarten beeinflussen zu lassen. In der schreibenden Zunft finden sich immer wieder welche, die es sich rausnehmen und sich über die ihnen zur Verfügung gestellten Plätze aufregen. Noch bevor ich meinem eigenen Blog Leben eingehaucht habe, durfte ich für den theatremonkey Kritiken schreiben. Die Tickets für diverse Shows habe ich mir selbst bezahlt, Rich war vielleicht hie und da in Bezug auf Discounts behilflich.
Auf seiner Website hat Rich quasi einen Ratgeber (welchen es mittlerweile auch in Buchform gibt) für Besucher des Londoner West End angelegt. Nebst Tipps für Ermäßigungen und Saalplänen sämtlicher Theaterhäuser in der Stadt finden sich spezielle Rezensionen: Wo sitze ich in welchem Theater gut, wie ist der Sound beispielsweise im Circle (für nicht West End Kundige: mit Circle ist in England der Rang gemeint), wie sieht es mit der Beinfreiheit aus etc. Durchaus nützliche Tipps, wenn man bedenkt wie schnell es einem die Laune verderben kann, nach dem Erwerb eines sündhaft teuren Tickets festzustellen, dass sich neben einem das Soundboard inklusive Kaugummi kauender Techniker befindet und damit die Atmosphäre hinüber oder die Wirkung der Show vermindert ist.
Die Möglichkeit für Rich zu schreiben hat mich gelehrt, auch primär schlechter wirkende Plätze mit anderen Augen zu sehen, gut manche sind und bleiben einfach mies, wer sieht sich schon gern 3 Stunden lang eine mit Stoff überzogene Säule an, andere wiederum können ein echtes Schnäppchen und Gewinn bringend für einen unvergesslichen Musicalabend sein. So insistierte etwa ein Mitarbeiter des PRINCE OF WALES Theater (Herberge für THE BOOK OF MORMON), dass ich unbedingt den Circle ausprobieren sollte, da es angeblich der Beste in ganz London sei. Prinzipiell sitze ich lieber unten und nahe am Geschehen dran, der freundliche Herr von der Box Office hat aber ganze Arbeit geleistet und mich überredet, doch oben zu sitzen. Bis heute bin ich dem freundlichen Briten, dessen Namen ich leider vergessen habe, dankbar für diese Erfahrung, welche ich mit bestem Gewissen weiterempfehlen kann.
Diese Einstellung vermisst man, vermisse ich, bei dem ein oder anderen. Gut, wer sitzt nicht gern weit vorne, wenn es jedoch mal Plätze weiter hinten sind, verziehen manche das Gesicht und werden nicht müde zu erwähnen, dass sie in anderen Häusern viel besser behandelt, besser platziert wurden, anstatt zu überlegen, wo die Unterschiede liegen und was ein Platz in Reihe 15 statt in Reihe 5 für Vorteile bringen kann.
Gerade diese Kritiken lese ich dann besonders gerne, da wenig bis gar nichts über die Inszenierung, Darsteller, Regie usw. geschrieben steht, sondern mehr darüber, dass aufgrund der Entfernung zum Geschehen vieles nicht ersichtlich oder schwer nachzuvollziehen war. Diese inhaltslosen Texte erinnern mich immer wieder daran, wie schön Theater (also Musical) eigentlich sein kann, erinnert mich an Zeiten, in denen das Geld nur für Stehplatzkarten gereicht hat, der Zauber, die Magie und vor allem die Faszination mich unabhängig von der Entfernung gefesselt und begeistert haben.
Musical ist mehr als große Namen oder Spitzenplätze im Parkett, es lässt uns träumen, nimmt uns mit auf Abenteuer, zeigt uns Helden und Schurken, vermittelt große Gefühle auch ohne vielerlei Worte. (Vorausgesetzt es wird von Menschen gemacht, die für das Genre quasi brennen und nicht nur auf die Taschen voller Geld scharf sind)
Bei jedem Theaterbesuch, auch wenn die Gefahr besteht dass es noch so sein Schmarrn sein kann, steigt meine Nervosität, oder besser gesagt Vorfreude auf das zu Erlebende, weil ich bereit bin mich darauf einzulassen, unabhängig davon, wer spielt oder nicht spielt, wo im Theater man mich platziert oder ob ich für meine Karten zahlen musste oder nicht.
Das soll auch weiterhin so bleiben.